Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf, um die Landwirtschaftspolitik der nächsten Jahre wird gerungen, mehr Tierschutz ist in aller Munde. Weniger Fleisch, mehr Respekt für Tiere, Umwelt und Bauern wird gefordert. Dem stimmen wir zu und rufen: Unsere MkF-Bauern wissen, wie das geht!
Doch erstmal sachte. So schnell baut man die Tierhaltung in Deutschland nicht um. Seit fast 10 Jahren ist MeinekleineFarm.org schon aktiv, getan hat sich in der gewöhnlichen Tierhaltung seitdem wenig. Immerhin hat im vergangenen Jahr eine vom Bundeslandwirtschaftsministerium beauftragte Kommission mit Vertretern aus Tierhaltung und Wirtschaft, Öko-Landwirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz ein Kompromiss-Konzept vorgelegt. Angesichts der Trippelschritte, die Reformen in dem Sektor kennzeichnen, kann man diesen als ambitioniert bezeichnen.
Im Kern geht es darum, dass Ställe in Zukunft tiergerechter werden: mehr Platz, mehr Beschäftigungs- und Auslaufmöglichkeiten. So ein Umbau wird teuer. Bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr sind veranschlagt. Das Geld soll an der Fleischerei- oder Supermarktkasse eingespielt werden. Im Gespräch sind beispielsweise eine Verbrauchssteuer oder eine Mehrwertsteuererhöhung.
MeinekleineFarm.org sagt: alles schön und gut. Weniger Fleisch, mehr Respekt geht aber ganz ohne Stall manchmal noch viel besser :)
Ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch - soviel hatte die sogenannte Borchert-Komission vorgeschlagen - erscheint ganz schön mickrig (das würde ein Rumpsteak von 200g um ganze acht Cent verteuern), wenn man die Preise im Discounter mit Bio- oder gar Freilandfleisch vergleicht. Ob das in der Breite so einen Unterschied machen kann?
Und reduziert man dadurch wirklich den Konsum? Dieses Problem geht die Borchert-Kommission nicht an. Ohne die Reduzierung der Tierbestände und des (genmanipulierten) Futtersoja-Anbaus in Südamerika werden sich Klima und Umwelt kaum retten lassen, warnte jüngst das Umweltbundesamt und forderte eine Halbierung des Fleischkonsums in Deutschland.
Die vom Export abhängige deutsche Schweineindustrie jedenfalls (die Produktion im Vergleich zum Konsum in Deutschland liegt bei 120%) muss für Kosteneffizienz weiter wie am Fließband produzieren, um keine Mise zu machen. Zumindest solange sich an der Weltmarktorientierung der hiesigen Agrarproduktion nichts ändert. Diese immensen Produktionskapazitäten werden von konventioneller, durchrationalisierter Mastindustrie geprägt (und die Schlachtung und Verarbeitung von wenigen Großbetrieben wie Tönnies, Westfleisch und Vion).
Die Gesellschaft fordert eine bessere Tierhaltung. Mit Massentierhaltung punktet niemand in der öffentlichen Debatte. Glückliche Tiere an der frischen Luft hingegen entsprechen häufig dem Idealbild einer respektvollen Landwirtschaft. Unsere Bauern erfahren viel Wertschätzung für ihre Art der Tierhaltung: seltene Schweinerassen, mehr Platz im Stall und auf dem Acker, ein längeres Leben für Mastschweine, kürzere Transportwege, Futter aus lokalem Anbau.
Der Umbau der Tierhaltung - doch nicht so ernst gemeint?
Dumm nur, dass gerade jetzt die Afrikanische Schweinepest (ASP) sich auch in Deutschland ausbreitet! In ASP-Regionen sollen Schweine nicht mehr an die frische Luft! Das kann sich über Monate oder gar Jahre hinziehen. Für die meisten konventionellen Schweine ändert das eh nichts, aber ihre Bio-Kollegen haben eigentlich ein Recht auf Wind und Wetter. Was ist der Grund für diesen Stubenarrest?
Einige Länder haben Importstopps für deutsches Schweinefleisch verhängt, obwohl bislang nur Wildschweine betroffen sind. Die Befürchtung: wird in Deutschland die ASP auch bei Hausschweinen in einem landwirtschaftlichen Betrieb nachgewiesen, dann bricht der Export dramatisch ein. Leidtragende wären industrielle Schweinemastbestriebe und Großschlachtereien.
Also gilt es um jeden Preis, eine Übertragung der Seuche von Wild- in Hausschweinbestände so lange wie möglich zu verhindern. Mit doppelten Zaunreihen etwa kann man das Risiko eines Kontakts von infizierten Wildschweinen und Hausschweinen weitestgehend ausschließen. Die Übertragung über Vögel ist theoretisch denkbar, ein Restrisiko nicht auszuschließen, heißt es.
Viele Bio- und Freilandbauern würden das Risiko einer Infektion ihrer Herden - und im Ernstfall ihre Schlachtung und finanzielle Einbußen - in Kauf nehmen, um ihren Tieren weiter eine artgerechte Haltung zu ermöglichen. Nur: es ist politisch scheinbar nicht gewünscht.
Der MkF-Freilandbetrieb Gut Hirschaue, der am Rand einer ASP-Region liegt, wurde vom örtlichen Veterinäramt vor die Wahl gestellt: Entweder die temperamentvollen Sattelschweine kommen in einen Stall ohne Auslauf oder die kerngesunden Tiere werden vorsorglich geschlachtet. Bauer Henrik Staar will seinen Freilandtieren die ungewohnte und zu Stress führende Stallumgebung aber nicht zumuten.
Dieses Beispiel zeigt, wie wenig Tierwohl am Ende wert ist. Jedenfalls im Vergleich zum wirtschaftlichen Interesse der exportorientierten Schweineindustrie. Die aktuelle Lage in Deutschland schreckt Betriebe ab, auf Bio- oder Auslaufhaltung umzustellen und konterkariert die Bemühungen, die Landwirtschaft tiergerechter zu machen. Daran werden 40 Tierschutz-Cent pro Kilo Nackensteak leider nicht viel ändern. Oink.