In der letzten Woche hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir den sogenannten Tierwohlcent erneut aufs Tableau gebracht. Einer Abgabe auf Fleisch, die den Umbau der Tierhaltung in Deutschland für eine klimafreundliche und artgerechte Tierhaltung trotz begrenzert Haushaltsmittel ermöglichen soll. Die ursprüngliche Idee stammt vom Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die häufig auch als Borchert-Kommission bezeichnet wird und eine Abgabe auf Fleisch bereits seit längerer Zeit fordert. Von den einen nun freudig begrüßt, von den anderen verteufelt und als unsinnig abgestraft, lässt sich auch dieser Vorschlag wie so oft von zwei Seiten betrachten. Während sich Umweltverbände wie der BUND e.V. oder Landwirtschaftsverbände wie der Deutsche Bauernverband e.V. oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. positiv äußern, sprechen sich einige Pressevertreter:innen wie die konservative Zeitschrift “Wirtschaftswoche” dagegen aus. Dabei ist noch gar nicht klar, wie hoch diese Abgabe überhaupt ausfallen soll.
Warum die Politik gefragt ist
Bei aller Kritik sollten wir zunächst bei den Fakten bleiben. Die Borchert-Kommission hat errechnet, dass für den Umbau der Nutztierhaltung hin zu mehr Klima- und Tierschutz etwa 3 bis 5 Milliarden Euro benötigt werden - pro Jahr! Bis der Wandel von industrieller Massentierhaltung zu Formen artgerechter Tierhaltung vollzogen ist. Danach erübrigen sich diese Ausgaben. Eine Summe, die die knappen Kassen der Betriebe bei der gleichzeitig prekären Einkommenssituation in der Landwirtschaft unmöglich selbst aufbringen können. Also ist die Politik gefragt, hier Lösungen zu finden, denn wir als Gesellschaft waren dazu bisher nicht in der Lage. Denn spätestens die stumme “Abstimmung an der Kasse” hat bisher gezeigt, dass es mit den Wünschen nach hochwertigem Fleisch aus guten Haltungsbedingungen beim Griff ins eigene Portemonnaie bei der Mehrheit vorbei ist. Ebenso bekannt ist, dass der übermäßige Verzehr von Fleisch und anderen tierischen Produkten gesundheitliche Risiken birgt, schlicht ungesund ist. Würde man mit einer Tierwohlabgabe nicht also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Eine mengenbezogene Abgabe auf alle tierischen Lebensmittel
Denn fest steht auch, dass der Tierwohlcent irgendwann bei den Preisen für die Verbraucher:innen ankommen würde, was in der Regel mit einem geringeren Konsum einhergeht. Die pro Kopf verzehrte Menge Fleisch dürfte weiter sinken, wie es bereits seit Jahren der Fall ist. Das entlastet nicht nur das eigene Herz-Kreislauf-System, sondern auch die Krankenkassen und damit wiederum uns alle. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace e.V. hat ausgerechnet, dass der Fleischpreis um rund 40 ct pro Kilogramm Frischfleisch steigen würde. Es wäre also eine mengenbezogene Abgabe. Wer viel Fleisch isst, muss auch entsprechend mehr zahlen. Nun ist die Idee mit dem Fleisch aber zu kurz gedacht, denn auch Milch und Eier sind tierische Produkte, bei denen die Haltungsbedingungen der Tiere dringenden Verbesserungsbedarf haben. Das berücksichtigt das Positionspapier aus dem Landwirtschaftsministerium hingegen nicht. Auch hier legt Greenpeace mit Steigerungen von 15 ct pro Kilogramm Käse bzw. Butter und 2 ct pro Kilogramm Milch konkrete Zahlen vor.
Befürchtung von bürokratischem Aufwand
Und die Tierwohlabgabe hat weitere Schwächen. Zum einen könnte damit ein erheblicher Berg Bürokratie auf Landwirtschaft und Handel zukommen, der doch eigentlich abgebaut und nicht weiter aufgetürmt werden soll. Zum anderen wird davor gewarnt, dass die Abgabe auch mit dem EU-Recht konform gehen muss. Dieses verbietet nämlich eine Schlechterstellung einzelner EU-Länder. Daher ist für die Ausfertigung der konkreten Tierwohlabgabe nun auch das Finanzministerium von Christian Lindner zuständig, das eine juristisch belastbare Lösung finden soll.
Am einfachsten wäre die Anhebung der ohnehin erhobenen Mehrwertsteuer. Denn derzeit unterliegen tierische Lebensmittel noch immer dem reduzierten Steuersatz von 7 %. Diese Lösung würde zwar enorm an Bürokratie sparen, allerdings wäre hier keine Zweckbindung des eingenommenen Geldes möglich. Denn eine solche Festlegung der Verwendung von Steuermitteln ist ausgeschlossen. Die Abgaben würden in den regulären Haushalt einfließen und müssten hier je nach Umfang der freien Mittel und dem Goodwill der jeweiligen Regierungen entsprechend eingestellt werden. Besonders der Bauernverband erhebt den Einwand, dass das Geld im Zweifel nicht bei den Landwirt:innen ankommt.
Wir warten entspannt ab, denn unsere Ställe müssen nicht umgebaut werden
Woher also nehmen, wenn nicht stehlen? Und was machen die Bio Betriebe, die zukunftsweisend bereits auf eine artgerechte Tierhaltung umgestellt haben? Werden auch deren Produkte künftig mit dieser Tierwohlabgabe belegt, obwohl das Ziel hier bereits erfüllt ist? Das würde Käufer:innen von Bio Produkten doppelt zur Kasse bitten. Denn sie zahlen bereits einen erhöhten Produktpreis und würden durch den Aufschlag den Umbau in Ställen mitfinanzieren, für deren Fortbestehen sie gar nicht verantwortlich wären. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine mengenbezogene Abgabe zwar fair und nützlich wäre, um endlich einen Schritt weiter zu kommen, im Umbau der industriellen Tierhaltung. Doch noch sind etliche Fragen nicht geklärt. Doch das müssen sie auch nicht, denn das Papier von Cem Özdemir war zunächst nur ein Aufschlag, um den die Bundesregierung gebeten hat. Konkretisierungen werden folgen. Bis zum Sommer sollen Verhandlungen geführt werden, wie genau ein Entlastungspaket für die Landwirtschaft in Deutschland aussehen könnte. Bis dahin warten wir die Entwicklungen ganz gelassen ab. Denn unsere Ställe müssen nicht mehr umgebaut werden. Unsere Tiere werden bereits auf weitläufigen Weiden geboren, wachsen im Herdenverband auf und freuen sich über bestes Bio Futter.