Kompass im Schilderwald: Der Unterschied verschiedener Tierwohllabel

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Der Schilderwald

In Deutschland nimmt man es mit den Beschilderungen gern ganz genau. So steht hierzulande durchschnittlich alle 28 Meter ein Verkehrsschild am Straßenrand, um uns den richtigen Weg zu weisen. Eine ähnliche Entwicklung ist mittlerweile bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln mit bestimmten Siegeln zu beobachten. Einige geben Auskunft über die regionale Herkunft, andere über den Verzicht auf bzw. die Beimischung von bestimmten Inhaltsstoffen und wieder andere treffen Aussagen über die Haltungsbedingungen der Nutztiere. Die Vielzahl der verschiedenen Label macht es schwer, stets den Überblick zu behalten. Dabei sind diese ursprünglich genau dafür entwickelt worden. Und so manches Mal versteckt sich hinter einem Aufdruck auch eine Mogelpackung, die zum Beispiel mit gesetzlichen Vorgaben wirbt oder mit Worthülsen eine höhere Produktqualität vorgaukelt.

Der Kompass

Wir wollen uns heute mit den verschiedenen Tierwohllabeln auf dem Markt beschäftigen und klären, wofür diese Siegel stehen und welche Organisationen dahinterstecken. Denn ein staatliches Siegel gibt es bis heute nicht, sodass sich verschiedene Anbieter:innen aus der Privatwirtschaft auf den Weg gemacht haben, Haltungsbedingungen von Nutztieren zu zertifizieren.

 

Für mehr Tierschutz

Anfangen wollen wir mit dem Label „Für Mehr Tierschutz“ das vom Deutschen Tierschutzbund vergeben wird. Es berücksichtigt die gesamte Wertschöpfungskette, angefangen bei der Haltung der Tiere, über den Transport zu den Schlachtbetrieben bis hin zur Verarbeitung der Produkte. Zertifiziert werden können Betriebe, die entweder Milchkühe oder Mastrinder halten, Ferkel oder Mastschweine oder Masthühner bzw. Legehennen. Die Kontrolle der Betriebe erfolgt durch unabhängige Zertifizierungsstellen, die durch den Deutschen Tierschutzbund geschult und zugelassen werden. Gemäß der Richtlinien ist der Tierhalter zur Eigenkontrolle u. a. verschiedener Tierwohlkriterien verpflichtet. Dabei sind zwei verschiedene Tierschutzstufen zu erreichen. Sie nennen sich Einstiegs- oder Premiumstufe und werden durch einen bzw. zwei gelbe Sterne am linken Label-Rand gekennzeichnet. Dabei sollte man sich allerdings vor allem von der Einstiegsstufe nicht zu viel versprechen. Ja, den Tieren steht mehr Platz im Stall zur Verfügung und es wird stärker auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben geachtet, doch von einer artgerechten Haltung kann auch hier noch nicht die Rede sein. Etwas besser sieht es in der Premiumstufe aus. Hier haben die Tiere der drei genannten Tierarten Anspruch auf Auslauf im Freien.

 

Neuland

Das Neuland-Label hingegen geht weit über die gesetzlichen Ansprüche an die Tierhaltung in Deutschland hinaus. Der Verein Neuland e.V., der dieses Siegel vergibt, hat sich 1988 mit dem Ziel gegründet, neue Standards in Punkto Tierwohl zu setzen und somit kleinbäuerliche Betriebe zu unterstützen. Zur damaligen Zeit waren die Neuland-Kriterien sogar strenger als die Bio-Richtlinie. Neben der artgerechten Haltung der Tiere ist auch die faire Bezahlung der teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe ein wichtiges Anliegen. Häufig wird in festen Kooperationen zusammengearbeitet, sodass langfristige Planungssicherheit für alle Beteiligten besteht. Die Zahl der Tierarten, die durch die Neuland-Richtlinien berücksichtigt werden ist dabei relativ umfassend. Vom Rind, über Geflügel und Schweine bis hin zu Schafen ist alles möglich. Wer keinen Zugriff auf Öko-Fleisch hat, sollte zu dieser Alternative greifen. Mehrere Stufen gibt es bei diesem Label nicht. Neuland, bleibt Neuland.

 

Tierschutz-kontrolliert

Das Gütesiegel der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ mit dem Namen „Tierschutz-kontrolliert“ deckt sich in vielen Punkten mit denen des ersten Labels „Für mehr Tierschutz“ (s.o.). Auch hier wird die gesamte Verarbeitungskette in Augenschein genommen und das Label ist in zwei Stufen unterteilt. Die Zahl der Tierarten, die an dieser Zertifizierung teilnehmen können, ist allerdings bedeutend größer. So gibt es für nahezu jede Nutzungsrichtung der verschiedenen Tierarten explizit geltende Richtlinien. Also für Mast- oder Milchkühe, Fleisch- oder Milchziegen, Fleisch- und Milchschafe, Schweine, Legehennen, Bruderhähne und Masthähnchen, Puten oder auch Mastenten. Die Silber-Stufe, zu erkennen am silbernen Ring um das Siegel, ist dabei weniger anspruchsvoll als die Gold-Stufe. Erstere verbessert die Haltungsbedingungen innerhalb des Stalls durch zum Beispiel Beschäftigungsmöglichkeiten und geringfügig mehr Platz. Doch wir stellen uns artgerechte Tierhaltung anders vor. Die zweite Stufe, mit dem goldenen Ring schreibt immerhin Auslaufflächen vor. Auffällig ist die Arbeit mit Empfehlungen in den Richtlinien. Dass man damit in konventionellen Tierfabriken nicht weiter kommt, hat die Vergangenheit gezeigt.

 

4-Stufen Haltungsform

Die großen Lebensmittelkonzerne Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe haben sich das System der Haltungsformen in 4 Stufen (haltungsform.de) selbst auferlegt. Hier werden gängige andere Sigel wiederum in eine der vier Stufen von 1 Stallhaltung bis 4 Premium eingruppiert. Ersichtlich sind diese am unteren Sigel-Rand und farblich in rot, blau, orange und grün hinterlegt. Dabei erfüllt die erste Stufe kaum mehr, als gesetzliche Vorgaben, sodass das Wort Tierwohl hier noch zu viel verlangt ist. Besser fällt das Urteil bei den Stufen drei und vier aus, da hier wenigstens Zugang zu einem Außenklimabereich bzw. Ausläufen vorgehalten werden muss. Unsere wirkliche Unterstützung erfährt hier nur die vierte Stufe, in der sich zum Beispiel auch die Bio-Betriebe tummeln würden.

 

Initiative Tierwohl

Die „Initiative Tierwohl“ ist ein Förderprogramm, dass 2015 aus einem Zusammenschluss von Lebensmittelindustrie, Fleischwirtschaft und Landwirt:innen mit dem Ziel entstanden ist, die konventionelle Tierhaltung tiergerechter zu gestalten. Dazu werden finanzielle Hilfen an die teilnehmenden Betriebe ausgegeben, um nach und nach für einen Umbau der Stallungen zu sorgen. Wirklich hohe Ansprüche stellt die Initiative Tierwohl dabei nicht. Im Grunde geht es um eine verstärkte Kontrolle geltenden Rechts, Dokumentationen und die Teilnahme am sogenannten QS-System, einem Prüfzeichen für Qualitätssicherung. Von Tierwohl ist hier nicht wirklich die Rede. Allein, dass nach eigenen Aussagen 80% der Hähnchen und Puten in Deutschland mit diesem Label gestempelt werden lässt aufhorchen. Denn dass bei mindestens 80% dieser Tierarten in Deutschland alles in Butter ist, möchten wir so nicht unterschreiben. Dieses Siegel hat also noch großen Nachholbedarf. Sollte nur Fleisch dieser Kategorie zur Verfügung stehen, dann schau dich lieber nach einer vegetarischen Alternative um, oder bestell ganz einfach bei uns.

Meine kleine Farm schaut genau hin

In unserer Online-Theke findest du Bio-Fleisch vom Weiderind, Schwein und Bison, die entweder in sogenannten Offenställen mit weitläufigem Auslauf untergebracht sind oder ihr Leben in Gänze draußen verbracht haben. Einige Produkte von uns sind jedoch nicht bio-zertifiziert. Zum Beispiel das Lammfleisch. Das kann verschiedene Gründe haben. Besonders bei den kleinen Betrieben lohnt sich eine Zertifizierung manchmal nicht, da die Kosten sich hier auf nur wenige Tiere verteilen würden. Ein anderer Grund kann sein, dass die aufwändige Dokumentation, die für das Bio-Siegel notwendig ist, neben der vielen praktischen Arbeit in der Landwirtschaft nicht gewuppt werden kann. Oder die Tiere weiden im Auftrag des Naturschutzes auch auf fremden Flächen, die nicht bio-zertifiziert sind, sodass auch die Tiere hier keinen Bio-Status erlangen können. Doch wir kennen all unsere Partner:innen und stehen in ständigem Kontakt zu den Höfen. Das Vertrauen wächst durch die langjährige Zusammenarbeit und wir haben uns in jedem Fall selbst davon überzeugt, dass die nicht zertifizierten Betriebe ihren Öko-Kolleg:innen in nichts nachstehen. Diese Kontrolle kannst auch du selbst vornehmen, da wir zu jedem Fleisch- bzw. Wurstprodukt veröffentlichen, von welchem Tier das Fleisch stammt. Du erfährst, wann es geboren und wann es geschlachtet wurde. Auf den Wurstgläsern, kannst du durch Fotos sogar sehen, wie sie ausgesehen haben. Unser Ziel ist es, damit mehr Respekt vor dem Tier zu schaffen, wenn du ihm noch mal in die Augen sehen kannst.  Das Ergebnis kannst du ganz beWurst schmecken. Dabei ist weniger oft mehr, denn bei allen ernstgemeinten Tierwohllabeln wirst du etwas tiefer in die Tasche greifen müssen als für Ware ohne weitere Tierschutzauflagen. Also lieber weniger Fleisch essen und dafür mit mehr Respekt.

Für Faule - Das MkF-Navi 😉

Die verschiedenen Bio-Siegel haben wir an dieser Stelle erstmal außer Acht gelassen, denn diesem Thema werden wir einen eigenen Beitrag widmen. Wie du sicher schon festgestellt hast, gibt es auch dort Unterschiede, sodass wir mit einem Vergleich der verschiedenen Bio- und Verbands-Siegel ebenfalls die Navigation durch den Schilderwald erleichtern möchten.


Für Mehr Tierschutz: Die Einstiegsstufe hält für unsere Begriffe zu wenig Veränderungen für die Tiere bereit, um tatsächlich von Tierwohl zu sprechen. Besser sieht es in der Premiumstufe aus. Hier haben die Tiere Zugang zu Ausläufen und somit mehr Abwechslung und Platz. Trotzdem passt sich dieses Siegel den Haltungsbedingungen großer Ställe an. Daher sind wir mit einer Empfehlung hier eher verhalten.

Neuland: In unseren Augen die beste Alternative zu Öko-Fleisch. Die Tiere werden vergleichbar dem Bio-Standard gehalten und der Verein setzt sich für die Abschaffung großer Strukturen hin zu einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft ein. In Zusammenhang mit einem BeWursten Genuss also von uns eine Kaufempfehlung.

Tierschutz-kontrolliert: Vergleichbar mit dem Label “Für mehr Tierschutz”. Auch hier entspricht die Silber-Stufe nicht unseren Vorstellungen von artgerechter Haltung. Die Gold-Stufe bietet hingegen Auslauf. Die Arbeit mit Empfehlungen empfinden wir als wenig vertrauenswürdig und auch hier bleiben industrielle Strukturen unangetastet, sodass wir hier vorerst keine Empfehlung aussprechen.

haltungsform.de: Sortiert bestehende Siegel in ein eigens geschaffenes Raster. Ob das wirklich zu einer einfacheren Orientierung im Schilderwald führt können wir nicht beantworten. Ein Grund für das Eigenlabel war sicher auch das Fehlen eines staatlichen Tierwohlkennzeichens. Solltet ihr zu Produkten dieses Siegels greifen, dann mit der  Haltungsform 4 (grün hinterlegt).

Initiative Tierwohl: Dieses Label kann man sich in seiner derzeitigen Ausprägung sparen. Unsere Vermutung ist, dass auch Betreiber:innen von Mega-Ställen ein Stück vom “Tierwohl-Kuchen” abhaben wollen und sich deshalb dieses Siegel ausgedacht haben. Solltet ihr keine Alternative finden, dann einfach mal vegetarisch kochen oder schnell bei uns bestellen.


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