Oder: warum Käse mit Gesicht?
Angefangen hat alles mit der Wurst „mit Gesicht“. Als wenig später Frischfleisch dazukam – logistisch etwas komplizierter – konnten unsere Schweine auch Fleisch ein Gesicht geben.
Ab und an kleben auch die Porträts unserer Bäuer:innen auf der Wurst. Nicht, weil wir die Bäuer:innen selbst gelegentlich verwursten, wie manche böse Zungen vermuteten, sondern weil wir im Laufe der Jahre gelernt haben, dass es in erster Linie sie sind, die mit Überzeugung, Know-how und Herzblut eine tiergerechte Freilandhaltung erst möglich machen. Und deshalb geben wir ihnen gerne eine kleine Bühne auf dem Gesichtssticker.
Doch nur Herzblut reicht nicht. Zu Landwirtschaft gehört Wirtschaft: am Ende muss die Arbeit der Bauern auch Geld einbringen.
Hat der Bauer Geld, hat’s die ganze Welt.
Dieses Sprichwort entstand zu einer Zeit, als die meisten Menschen von der Landwirtschaft lebten. Heute ist nur noch ein Bruchteil der Erwerbstätigen in diesem Sektor beschäftigt, Tendenz abnehmend. Immer weniger, aber größere und ökonomisch optimierte Betriebe stillen unseren Hunger nach Lebensmitteln tierischen Ursprungs.
Zugespitzt formuliert: ob der Bauer oder die Bäuerin Geld verdient, ist dem Rest der Welt egal. So lange die Supermärkte voll sind, ist alles gut. Dass sie voll bleiben, dafür sorgt der Markt.
Nur stammen viele Produkte nicht mehr von den Landwirt:innen. Ein bäuerlicher Landwirt oder eine Landwirtin unterhält eine Kreislaufwirtschaft: ihr Land (oder die des Nachbarhofes) ernährt die Tiere, die wiederum die Ackerflächen düngen.
Industrielle Tierhaltung hat diese Flächenbindung überwunden. Der Sojacontainer aus Südamerika ersetzt das Getreidefeld. Und wo die Äcker und Wiesen nicht groß genug sind, um den Stickstoff in Mist und Gülle von zu vielen Tieren aufzunehmen und an die Pflanzen weiterzugeben, da gelangen Nitrat ins Grundwasser und Klimagase in die Atmosphäre. Ganz zu schweigen davon, dass man die Stallfläche pro Tier auf ein Minimum reduziert. Offensichtlich ist das betriebswirtschaftlich betrachtet günstiger.
Nur wenn der Bauer oder die Bäuerin Geld hat, dann kann‘s auch den Tieren und der Umwelt gut gehen.
Nur dann kann er seine Idee von einem zukunftsfähigen Umgang mit Land und Tier weiter umsetzen. Umwelt und Tiere freuen sich, und der Genießer tut’s auch: wer mal die Koteletts vom Freiland-Sattelschwein auf dem Grill hatte, der weiß, was wir damit meinen.
Bäuerliche Betriebe geben auf.
Seit einiger Zeit trifft es die Milchbauern besonders hart. Mit der Aufhebung der Milchquote sind diese massiv unter Druck geraten. Die Quote legte fest, wie viel Milch jeder einzelne Betrieb produzieren durfte. Diese Mengenbeschränkung gibt es nun nicht mehr. Alle produzierten plötzlich um die Wette, viele kleinere Betriebe mussten aufgeben.
Diese Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann sich auch bei den fortbestehenden Betrieben auf die Tierhaltung auswirken. So halten etwa mehr und mehr Betriebe aus ökonomischen Gründen ihre Kühe ganzjährig im Stall, anstatt sie die Sommermonate über grasen zu lassen. Hochleistungsmilchkühe leiden an Entzündungen an Eutern und Klauen und werden nach wenigen Laktationsperioden - die Zeit, in der eine Kuh Milch gibt - ausgemustert. Landwirt:innen und Tiere gehen an ihr Limit, und am Ende hat keiner etwas davon.
Landwirt:innen sollen keine Billig-Rohstoff-Lieferanten sein
Wie kann man in einem zunehmend liberalen Markt eine bäuerliche Landwirtschaft schützen, die nicht um jeden Preis auf Kosten der Tiere, der Umwelt und der Bäuerinnen und Bauern Lebensmittel herstellt?
Darüber machen sich viele Menschen Gedanken. Die einen sagen, dass Landwirt:innen ihre Produkte alternativ vermarkten sollen, etwa über eine Direktvermarktung und den Lebensmitteleinzelhandel, der ja auch etwas verdienen will. Andere schlagen vor, dass Betriebe nicht mehr wie bisher standardisierte Massenware für die verarbeitende Industrie produzieren, sondern sich diversifizieren und auf besondere Erzeugnisse spezialisieren sollten. Sicherlich könnte man mit einer andern Subventionspolitik vieles erreichen. Im Kern geht es darum, wie Bäuer:innen stärker in die Wertschöpfung eingebunden werden können.
Zurück zu den Milchbäuer:innen: Eine Möglichkeit ist, dass Bäuer:innen nicht mehr nur Milch für Molkereien produzieren, sondern selbst in die Verarbeitung einsteigen. So verkaufen sie nicht nur die Milch, sondern ein veredeltes Produkt, für das sich ein höherer Preis erzielen lässt.
Es gibt natürlich schon Betriebe, die es anders machen. Hier werden die Rinder im Sommer auf die Weide gelassen, im Winter gibt es hochwertiges Futter von den hofeigenen Flächen. Die Kühe leben länger als viele ihrer Kolleginnen (Rind 20 von unserem Bio-Partnerbetrieb Backensholz, der die Milch vor Ort zu Käse verarbeitet, ist ein gutes Beispiel). Corned Beef, Feinen Peitschen, Knabbernossis oder der Bolognese hat Meine kleine Farm das Gesicht dieser Ex-Milchkühe gegeben. Unser Partnerhof in Blankenfelde und die Milchschäferei Pimpinelle zeigen ebenfalls, wie man mit wenig Fläche, kleinen Herden und viel Engagement richtig leckeren Käse herstellen kann!
Gebt der Milch ein Gesicht!
Warum eigentlich nicht, haben wir uns gefragt. Wir setzen uns damit für genau die Werte ein, für die wir 2011 Meine kleine Farm gegründet haben: Hinter jedem Stück Käse stecken Tiere und Menschen. Auch hier geht es um Respekt gegenüber dem Tier sowie um Wertschätzung der bäuerlichen und handwerklichen Arbeit. Wir setzen uns ein für Transparenz und gegen die Anonymität in der Agrar- und Ernährungswirtschaft.