Nach kurzer Rücksprache mit unser Kontaktperson und Partnerbäuerin Ulrike Raulf finden wir rechtzeitig den Weg durch Wulkow, entlang der Weide, auf die heute geführt wird, vorbei an verwunschenen Tümpeln und durch eine alte Bahnunterführung, hin zu den, leicht Abseits gelegenen, offenen Bestallungen der Rinder wo sie sich im Winter aufhalten.
Ulrike ist noch dabei die Straßenränder mit Seilen und ähnlichem Hilfswerk(Adriens Auto und auch wir selbst werden später mit eingebunden) abzusperren, damit die Rinder später nicht auf dumme Gedanken kommen und ausbüchsen, was vor ein paar Jahren schon mal passiert ist, wie uns Ulrike mit einem Augenzwinkern mitteilt. So kann ein Weideauftrieb dann ganz schnell zu einer Suchaktion im Wald werden.
Das Beste hoffend werden wir anschließend in die offenen Bestallungen geführt. Diese offenen Bestallungen vom Wulkower Hof verdienen diese Bezeichnung. Sie sind Überdacht aber nicht geschlossen und haben einen reichlich großen Auslauf für die Tiere mit angebunden, auf dem sie sich auch im Winter austoben können. Und wenn es kalt wird, können sie sich im Stroh zusammen kuscheln und sich gegenseitig wärmen. Beneidenswert in unseren Zeiten des Abstandhaltens!
Das Frühstück, zu dem wir noch nicht gekommen sind, wird von den Rindern genüsslich verzehrt und dient an dem Tag des Weideauftriebs nicht nur zur Stärkung für die kurze aber intensive „Reise“, sondern auch zur Sortierung der Herde. Nicht alle Tiere kommen auf die gleiche Weide. Heute sind die älteren Rinder mit ihren Kälbern dran. Die abgekalbten Jungtiere kommen etwas später auf eine andere Weide, wo sie ihre „wilde Phase“ zusammen ausleben können. Um die Sortierung sicherstellen zu können, werden die abgekalbten Jungtiere in diesen Stangenvorrichtungen festgemacht, damit die Herde getrennt werden kann.
Nachdem wir ein paar schöne Fotos der aufgeweckten aber doch auch etwas scheuen Herde machen konnten, werden wir von Ulrike im wahrsten Sinne des Wortes mit eingespannt. Wir schnappen unser Auto und fahren, Ulrikes Anweisungen folgend, zurück durch die Bahnunterführung zu unserem vorgesehenen Platz und verbinden das Auto bei einer Abzweigung mit dem gespannten Seil.
Nachdem wir kurz Zeit hatten die verwunschene, linksoderliche Landschaft zu erkunden, haben wir uns mit der Photokamera vor einer Biegung positioniert, um möglichst schöne und viele Fotos vom Weideauftrieb machen zu können und aber auch als Absperrung zu dienen.
Oben bei den Bestallungen schienen die finalen Vorbereitungen im Gange zu sein, denn nachdem wir noch kurz Zeit hatten, unser Privileg, nach Brandenburg fahren und in Kontakt mit Mensch und Tier kommen zu dürfen, zu realisieren, kommt Ulrike schon auf ihrem Fahrrad und mit der Herde im Schlepptau die Straße runter gesaust. Dem heranrollenden gedonner Respekt zollend weichen wir 2 Schritte zurück und drücken auf den Auslöser der Kamera was das Zeug hält. Bis auf die Nachzügler ist das Schauspiel schnell an uns vorbei.
Selbst an der Nachhut können wir kaum dranbleiben. Wir befreien unser Auto aus dem Seil und seinem Dienst und heften uns an den Weideauftrieb. Am Zielort angekommen ist die Herde schon über alle Hügel und erkundet ihre Weide, die ihnen den schönen Namenszusatz „Weiderind“ verleiht.
Unsere Blicke schweifen über die Weide, saugen die Impressionen auf, und unsere Ohren lauschen Ulrike. Wir fragen, ob die Weide als Nahrung für die Herde über den Sommer reicht. Dieser Frühling war feucht und nass und vor allem nicht heiß, sie hat Hoffnung, dass das reicht. Die Tiere werden noch einmal die Weide wechseln diesen Sommer. Die letzten Jahre mit ihren trockenen Sommern haben dafür gesorgt, dass Ulrike ihre Herde immer weiter dezimieren musste. Die Herde zählt noch 102 Tiere. Kapazität hätte sie für 130 Tiere, doch das liegt schon weit zurück. Sie hofft, dass trotz des, auf Grund des Wetters, späten Weideauftriebs nicht zu viele Löwenzahne anfangen zu blühen, weil die Rinder das nicht mögen und so Teile der Weide unberührt lassen würden. Doch das haben die Rinder ja nun mit ihrem Hunger selbst in der Hufe.
Wir verlassen die Weide durch den Aufgang wo gerade noch die Rinderherde durch gewattet ist. Ulrike bringt uns zum Auto und wir wechseln noch ein paar letzte nette Worte und bedanken uns, als Ulrikes Mitarbeiter mit einem Auto vorbeifährt. Sie lässt uns wissen, dass sie jetzt noch den Hochspannungsgenerator an den Weidezaun befestigen und anschließen werden, damit die Herde sicher ist. Mit einem leichten Knurren im Magen setzen wir uns ins Auto und wollen zurück nach Berlin, als wir sehen, dass sich die Herde auf unsere Seite der Weide bewegt hat. Wir springen noch einmal schnell aus dem Auto für ein Paar letzte Abschiedsfotos.
Etwas ausgekühlt in den Füßen aber gewärmt im Herzen fahren wir zum nächstgelegenen Bäcker um es den Rindern gleichzutun und uns auf der kurzen aber intensiven „Reise“ zu stärken. Als wir auf die Autobahn fahren, sehen wir, wie auf der anderen Seite der Grenzstau immer länger wird. Diese unzähligen LKWs mit ihren uns unbekannten Zielen wirken irgendwie verloren, belästigend und im Weg stehend. Unsere Weiderinder verbringen ihr Leben auf der Weide und „belästigen“ uns auf „unserer“ Straße keine halbe Stunde im Jahr.
Wir fahren glücklich mit unseren Impressionen und Erkenntnissen durch Ostbrandenburg in Richtung Berlin, in dem Wissen, dass wir wiederkommen und hier öfter sein werden.
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