Es gibt Tage, an denen macht die Arbeit ganz besonders Spaß. Beispielsweise neulich erst, da haben sich nämlich Vize-Chefschwein Laura und ich das Wurstmobil geschnappt und sind für eine Landpartie auf Bauernhoftour gegangen. Unsere Tagesmission: Mit neuen und alten Bauern ein wenig fachsimpeln und vor allem die nächsten gesichtsgebenden Tiere fotografieren. Gibt Unangenehmeres? In der Tat! Und weil Transparenz unser Anliegen ist, folgt an dieser Stelle ein kleiner Blogpost zu Lauras und meinem Tag.
Als erstes auf dem Programm steht der Besuch bei Kirsten Hänsel vom Hof Apfeltraum [LINK Hofseite]. Und da, direkt vor Ort, wartete dieser Anblick auf uns, das wohl schönste Kuh Arrangement aller Zeiten. In den Startlöchern stehend, freuen sich die Rinder nach dem Winter am Laufstall wieder die Weide begrasen zu dürfen. Die Laufstallhaltung hat zweierlei Gründe, zum einen kann Kirsten so den wertvolllen Kuhmist zum Düngen sammeln, zum anderen schützt das die Grasnarbe bei feuchtem Wetter vor den Trampeleien. Bringen ja schließlich ein beachtliches Gewicht auf die Waage, diese Viehcher.
Kuhstilleben auf dem Hof Apfeltraum
Etwas abseits der restlichen Herde ließ sich eine Kuhdame bereitwillig ablichten und imponierte durch ihre fotogene Seite. Das traf sich ziemlich gut, denn wie der Zufall will, ist es die nächste Wurst-gesichtsgebende Kuh.
Selbstbewusst und fotogen: Rind (nr)
Der eigentliche Grund unserer Anreise, lümmelte jedoch auf Kirstens Anwesen. Eine prächtige Herde Rauhwolliger Pommerscher Landschafe, die gerade Nachwuchs bekommen hatte. Auf der großen Weide faulenzten Lämmchen und Mutterschafe und ließen sich die Sonne aufs Vliess scheinen.
Hierzu ein kleiner Ausflug in die Tierkunde: Vor sehr langer Zeit entstand diese Rasse aus einer Kreuzung des Zaupelschafes und des Hannoverschen Schafes. Das Besondere an ihnen? Sie sind nicht nur steinalt, ihr Vliess ist durch seine Wollbeschaffenheit atmungsaktiv und temperaturregulierend und somit bestens geeignet, jeglichem Küstenwetter zu strotzen. Da kommen die Tierchen nämlich ursprünglich her. Echte Küstenjungs also. Und da das Pommersche Landschaf sich auch in kleinen Herden bestens sozialisiert fühlt, fand es anno dazumal große Verbreitung in der kleinbäuerlichen Haltung. Zudem zählt es aufgrund seiner langsamerem Fleischwüchsigkeit zu den schlankeren Zeitgenossen unter den Schafrassen. Deshalb, klärt uns Kirsten auf, sind die Rauhwoller nach 12 Monaten auch noch nicht schwer genug für die Schlachtung. Das Prädikat Lammfleisch bleibt Kirstens Schafen deswegen zwar verwehrt, dafür dürfen sie ein klein wenig länger auf der Weide tollen. Was ihr dann bei MeinekleineFarm.org kauft ist also kein Lammfleisch, sondern ganz genaugenommen Fleisch vom Jungschaf. Geschmacklich ist dieser Unterschied aber kaum zu merken ☺
Leider konnte auch das Rauhwollige Landschaf, trotz seines freundlichen und genügsamen Wesens, nur schwerlich der Verdrängung durch Fleischschafe (den massigeren Kollegen) und feinwolligen Merinoschafen trotzen, sodass diese schöne Rasse heute immer noch sehr gefährdet ist.
Sportlich Schlank: die Rauhwoller, frisch nach der Schur
Toll also, dass Kirsten direkt auf ihrem Grundstück diese Pommerschen Landschafe züchtet. Mit viel Liebe und sichtlichem Spaß an der Arbeit widmet sie sich ihrem Erhalt. Auf der Weide gleich, hinter Kirstens Haus haben sie viel Platz zum grasieren und flanieren, manch eines konnte ich sogar bei lustigen Aerobic Übungen beobachten.
Obacht: Aeriobicschaf im Hintergrund
Lustig anzusehen sind sie, und so süß die kleinen Lämmchen. Gefühlt gurke ich eine Stunde zwischen den kleinen umher und schieße ein Foto ums andere. Da kommt der Fotodrang unleugbar durch. Zurück zum Wesentlichen, leider steckt Kirsten, wie im Newsletter beschrieben im finanziellen Dilemma, denn die Tiere rentieren sich nicht. Klar, so ein Schaf zu halten kostet viel. Futter, Platz, Tierarzt etc. Wenn sie dann auch noch langsam Fleisch ansetzen, ist es nicht verwunderlich, dass Kirsten im Grunde ein Minus-Geschäft macht. Kirsten ohne Schafe, die Welt ohne Rauhwoller? Ein trauriger Gedanke und ein weiterer Rückschritt in der Erhaltung der Artenvielfalt. Deshalb, beWurste Freunde, genießt die Jungschaf Wurst von Kirsten und rettet die Schafe!
Nächste Generation: Schwarzes Schaf
Nur eine halbe Wurstmobil Stunde entfernt erwartete uns bereits Ulrike Raulf. Mit 2 weiteren Mitarbeitern betreibt sie den Wulkower Hof [LINK], der neben Getreideanbau vor allem eine große (140!) Mutterkuhherde der Pinzgauer Rasse beherbergt. Auch sie zählen zu einer alten und bedrohten Haustierrasse. Und da es in Zukunft bei MeinekleineFarm.org auch Wurst und Frischfleisch Leckereien von Ulrikes Rindern geben wird, haben wir ihr und den Pinzgauern gleich einen Besuch abgestattet.
Ruhig und zivilisiert verputzen diese Pinzgauer gerade ihre Ration
Aus dem Fressstand ertönt schon das Hörnerklappern der Rinder. Denn besonders cool, auf dem Wulkower Hof wird nach Demeter Richtlinien gewirtschaftet, deshalb dürfen auch alle Rinder ihre Hörner behalten. Sehr zur Freude der Wiederkäuer, denn nicht nur sind diese ein typisches physiologisches Organ, sondern ebenso essenziel um Rangkämpfe unter den Bullen auszuloten. Im besagten Fressstand, wo Ulrikes Rinder gefüttert werden, sind diese zwar etwas hinderlich aber schlaue Wiederkäuer wissen schon, wie man hörnerklappernd ans Futter kommt. Einmal den Kopfdreher gemacht und Rind kann es sich schmecken lassen.
Ulrike erklärt dann noch die Vorteile des Fressstandes. Dieser hilft Futterneid und Rangeleien zwischen den Kühen zu umgehen und ist für die Tiere noch dazu eine entspannte Routine. Neugierig gucken sie mich aus ihren großen freundlichen Kuhaugen an. Ja, das sieht nach Harmonie aus.
Der Rest der Herde tümmelt sich derweil auf der Weide. Im Gegensatz zur Rampensau, äh ... rind vom Hof Apfeltraum scheinen diese Pinzgauer eher kamerascheue Wesen zu sein. Meine Aufgabe als Tierfotografin hat sich damit um einiges erschwert. Mit Kameras umhangen brauchte es einige Zeit todesmutige Anpirschversuche an die Herde, um einen Schnappschuss der auserwählten Kuh zu erhaschen. Gekonnt versteckte sie sich hinter ihren Freunden oder drehte mir konsequent die Hinterseite entgegen. Am Ende hats dann aber doch noch geklappt.
Verschmitzt lugt Rind 11 hinter den Rücken ihrer Kollegen hervor
Ganz langsam neigt sich dann auch der Tag dem Ende zu, zum Abschied stehen wir am Eingang und genießen die Aussicht auf Weide und braune Pinzgauer. Ein wahrlich feiner Anblick.
Tschüüssii: Zum Abschied noch einmal winken und schon geht’s wieder zurück Richtung Berlin
Muh und Oink aus dem Wurstbüro!
Antje, das Studischwein