Rinder- Färsen - Starken - Kühe
Titel gibt es viele für das liebe Rindvieh, doch die vermeintlichen Synonyme geben der geschulten Kennerin einen Hinweis auf Alter und Lebenslauf des Tieres. Ob Kuh, Bulle, Färse, Ochse oder Kalb - Rinder sind sie alle. Das ist nämlich der Oberbegriff für das, was häufig schwarz-bunt gescheckt oder auch hellbraun bis rötlich oder gar schwarz in der Landschaft herumsteht und mal Milch gibt oder der Fleischerzeugung dient. Eine Unterscheidung wird im nächsten Schritt zwischen männlichen und weiblichen Tieren gemacht. Die Herren der Schöpfung sind Bullen oder in kastrierter Form die Ochsen. Die Damen des Hauses dagegen werden als Färse, Starke oder eben Kuh bezeichnet. Während die Titel Färse oder Starke tatsächlich synonym verwendet werden können und ein geschlechtsreifes, weibliches Rind OHNE Kalb benennen, darf sich nur ein weibliches Rind MIT einer durchlebten Geburt als echte Kuh bezeichnen. Erst danach, wenn ein Kalb geboren wurde, setzt der Milchfluss bei der Kuh ein.
Namen sind mehr als Schall und Rauch
Die unterschiedlichen Begriffe sind nicht nur bloße Namen, sondern geben auch einen Hinweis auf die Qualität des Fleisches. Dies liegt am unterschiedlichen Alter und damit Reifegrades des Fleisches, an der Geschwindigkeit, mit der ein Tier aufwächst, an den natürlichen Hormonen, die eine Rind während der Trächtigkeit durchströmen oder einem Ochsen gegenüber einem Bullen fehlen oder auch am eingelagerten Fett in den Muskelzellen.
Dabei genießt Ochsen- und Färsenfleisch den Ruf, den höchsten Qualitätsanforderungen zu entsprechen, da die Tiere langsam wachsen und häufig nicht aus der Intensivmast stammen (anders als die Bullenmast) aber noch jung und zart geschlachtet werden (anders als Altkühe, die häufig nach ihrer Nutzung als Mutter- oder Milchkuh in die Wurst wandern).
Die Färsenvornutzung
Ein besonderes Verfahren stellt die Färsenvornutzung dar. Hier werden junge, weibliche Rinder im Alter zwischen 12 und 22 Monaten erstmals belegt, also gedeckt. Nach einer Trächtigkeit von 10 Monaten kalbt die Färse ab und wird somit zur Kuh. Das Fleisch dieses noch immer sehr jungen Tieres entspricht dabei vom Alter dem einer Färse, doch können mit der durchlebten Trächtigkeit qualitativ Vorteile bei der Fleischqualität entstehen. Nach der Kalbung säugt die junge Kuh für 3 bis 10 Monate ihr Kalb. Danach kann sie entweder geschlachtet oder zur sogenannten Remontierung in die bestehende Mutterkuhherde integriert werden.
Die Vorteile der Färsenvornutzung
So nun auch zum ersten Mal auf dem Demeterbetrieb Beerfelder Hof von Johann Gerdes in Steinhöfel geschehen. Denn das ist nach Aussage von Johann der erste Vorteil dieses Verfahrens: Nach der ersten Kalbung lassen sich Muttereigenschaften und Leichtkalbigkeit eines Tieres beurteilen. Nicht alle Kühe haben es gleich schwer bei der Geburt und nicht alle hegen danach dieselben Muttergefühle. Gewünscht werden vor allem in der Mutterkuhhaltung zur Fleischerzeugung Tiere, die ohne große Probleme eigenständig kalben und sich danach intensiv um ihr Kälbchen kümmern. Danach kann also eine stichhaltige Entscheidung getroffen werden, ob eine Kuh dazu geeignet ist, weiter mit ihr zu züchten.
Vorteil Nummer zwei ist die Reifung von Fleisch und Persönlichkeit der Färse während der Trächtigkeit. Da die Tiere nicht nur mit ihrem eigenen Wachstum beschäftigt sind, sondern auch ein Kalb in ihnen heranwächst, wachsen die Färsen langsamer und haben mehr Zeit, intramuskuläres Fett im Fleisch einzulagern. Diese Marmorierung ist ausschlaggebend für Geschmack, Zartheit und Saftigkeit eines Stück Fleischs. Außerdem geht es den Rindern wie den Menschen. Eine durchlebte Trächtigkeit verändert den Charakter eines Tieres und kommt der Reifung der eigenen Persönlichkeit gleich.
Der dritte Vorteil wiegt nach Aussagen von Johann am schwersten: Die Tiere, die wir halten, um sie danach für uns als Lebensmittel zu nutzen, sollen nicht nur leben, um zu sterben. Also stellte sich der junge Bio-Landwirt die Frage, was man einer Kuh nebst leckerem Futter, viel Auslauf und Spaß mit seinen Artgenoss:innen noch ermöglichen könnte, bis sie ihren Weg auf unseren Teller findet. Einer der Urinstinkte ist hier die Fortpflanzung. Also warum der Färse nicht die Möglichkeit geben, selbst eine Mutterschaft zu durchleben? Die Antwort ist leider naheliegend. Weil das Verfahren ein wirtschaftliches Risiko darstellt.
Wir gehen gemeinsam neue Wege
Normalerweise müsste Johann das Fleisch dieser jungen Kuh mit Abzügen verkaufen, weil sie eben nicht mehr als Färse gilt. In großen Schlachtbetrieben und Vermarktungsstrukturen bleibt nicht die Zeit zu erklären, was es mit dieser Kuh auf sich hat und was ihre persönliche Geschichte ist. Doch mit uns von Meine kleine Farm ist er eine Partnerschaft eingegangen, die genau solche Vorstöße ermöglicht. Wir stehen dafür, Transparenz herzustellen und genau diese spannenden Geschichten hinter deinem Bio Fleisch zu erzählen.
Rind 160 ist also eine echte Vorreiterin. Sie wurde im Alter von 22 Monaten belegt, hat 10 Monate später abgekalbt und ihr Kalb danach weitere 10 Monate gesäugt. Für Johann und uns ist es also spannend, was ihr zur Fleischqualität sagt und würden uns sehr über Rückmeldungen derjenigen freuen, die Fleisch von Rind 160 bestellt haben. Schreibt euer Feedback gern in die Kommentare unter die jeweiligen Produkten im Onlineshop!